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Donnerstag, 1. Dezember 2011

Der Plakatfund aus dem Kino Radium in Zürich, Filmplakate der Jahre 1907 bis 1914

Ausgrabungen im Saal des ehemaligen Kinos Radium förderten eine dichte Abfolge von Siedlungsresten aus dem mittelalterlichen «Niederen Dorf» zutage. In dem historischen Gebäude wohnten vom 14. Jahrhundert an bis 1909 Müllersfamilien. Das Haus weist bemerkenswerte repräsentative Wohnräume des 17. bis frühen 19. Jahrhunderts auf, die jetzt wieder instand gestellt sind.

Filmplakate. Eine aussergewöhnliche Entdeckung sind die nahezu 100 Filmplakate und weiteren Materialien zu Kino und Filmverleih, die im Dachgeschoss hinter einem Wandtäfer zum Vorschein kamen. Der filmhistorisch spektakuläre Fund führt in die Anfangszeit des Kinos Radium und beleuchtet die bis anhin wenig bekannten Werbeaktivitäten eines der ersten Schweizer Lichtspielhäuser.

Das Kino Radium war eines der ersten ortsfesten Lichtspieltheater in Zürich. Es wurde 1907 an der Mühlegasse 5 im Erdgeschoss eines mittelalterlichen Altstadthauses eingerichtet. 2008 erfolgte die Schliessung im Rahmen eines umfassenden Umbaus der Liegenschaft, den die Stadtarchäologie Zürich begleitete. Bei Räumungsarbeiten kam im Sommer 2009 im Dachstock ein Stapel mit annähernd 100 Filmplakaten aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg zum Vorschein. Der von einem Mitarbeiter der Stadtarchäologie geborgene Fund umfasst 90 Filmplakate (davon 52 Dubletten, bis zu 12 pro Plakat), 68 Programmzettel (davon 62 Dubletten), einige Filmzeitschriften sowie weitere Materialien zur Hauptsache aus den Jahren 1911 bis 1914.

Bei den Plakaten handelt es sich sowohl um internationale Verleihplakate als auch um lokale Eigenproduktionen (überwiegend Textplakate). Die 69 beworbenen Filme stammen aus Deutschland, aus den USA, aus Frankreich, Italien, Dänemark, Grossbritannien, Österreich und Russland. Die Papiere lagen bei ihrer Auffindung als ungeordneter Stapel hinter einer Holzvertäferung über dem Dachvorsprung. Die Fundumstände lassen vermuten, dass die Plakate versteckt worden waren. Der Grund dafür bleibt rätselhaft. Ein Zeitungsartikel und ein Programmzettel aus den 1930er Jahren sind die jüngsten datierbaren Bestandteile des Fundes. Sie weisen darauf hin, dass die älteren Filmplakate auch erst in dieser Zeit deponiert worden waren. Der Stapel konnte nahezu vollständig geborgen werden.

Der Erhaltungszustand der meisten Plakate ist leider schlecht. Aus filmhistorischer Sicht ist der Fund jedoch spektakulär. Anhand der entdeckten Affichen (und der wenigen bereits vorher bekannten Plakate) aus der frühen Stummfilmzeit lässt sich die Werbetätigkeit der ersten Schweizer Lichtspielhäuser rekonstruieren. Nicht zuletzt die "geschmacklose" Plakatwerbung etablierte in bildungsbürgerlichen Kreisen den schlechten Ruf des Kinos, der auch Einfluss auf die Überlieferung und damit auf die bisherige filmhistorische Bewertung der kinematografischen Gebrauchsgrafik ausübte.

Das als PDF vorliegende Inventar verzeichnet alle aufgefundenen Gegenstände mit Kinobezug (ohne Dubletten). Die Abbildungen zeigen die Fundstücke in unrestauriertem Zustand.

Ab Ende 2011 werden die instand gesetzten Filmplakate im Stadtarchiv Zürich für Forschungszwecke zugänglich sein.

Download: 
Plakatfund Kino Radium (PDF, 33 Seiten, 7 MB)
Adrian Gerber, Andreas Motschi, Der Plakatfund aus dem Kino Radium in Zürich, Filmplakate der Jahre 1907 bis 1914 und weitere Materialien, Inventar, Zürich 2011.
25.2.11/27.10.11/2.12.11/

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